Erich Ruhl-Bady

Auf der Suche nach dem Glanz des Friedens.

Rezensionen


  • Marina Scheske: DIE NACHT DER WÖLFE
  • Timo Reuter: WARTEN
  • Heike Frank: WEISST DU WIE WERTVOLL DU BIST
  • Dietrich Krauß: DIE RACHE DES MAINSTREAMS AN SICH SELBST
  • Ulrike Guérot: EUROPA JETZT
  • Stephan Hebel: GREGOR GYSI AUSSTIEG LINKS
  • Julian Roman Pölsler: DIE WAND
  • Barbara Gertler: DIE WIEDERBEGEGNUNG



Was es heißt, ein guter Mensch zu sein ...

 

Marina Scheske

Die Nacht der Wölfe

Verlag Kleine Schritte - Trier

ISBN 978-3-89968-159-8

www.kleine-schritte.de

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Die Nacht der Wölfe: Wäre Marina Scheskes Veröffentlichung im Verlag Kleine Schritte kein Roman, sondern ein Drehbuch, so wäre der Charakter einer umsichtig eingesetzten Handkamera rasch erkennbar. Die kleinen aber fein verwobenen Plots sind dezent aber gut erkennbar ausgeleuchtet, die Figuren werden nicht ins Spotlight gestellt, sondern sie strahlen mild, unverstellt und echt. Ein wichtiger Roman fürs Verständnis dessen, was man oft vorschnell geeintes Deutschland nennt.

 

Geschildert werden in klarer verstehbarer Sprache eine Handvoll Leute, die einen Speckgürtel bewohnen, auf den jedoch die Metropole nicht wirklich das Licht wirft. Kleine Leute sind es, feine Leute, fern postmoderner Mittelschichtprobleme, mit einem erfrischend direkten Zugang zu dem, was im täglichen Dickicht des Unvollendeten „innerer Kompass“ genannt werden darf.

 

Marina Scheske zeigt einen Ausschnitt Brandenburgs, Berlin umrahmend, nah dorthin und doch tatsächlich ein Planetensystem entfernt. Gleich weit entfernt – obwohl schon Jahrzehnte vergangen sind – ist für die in Heidesand den Alltag meisternden aufrechten und gebeutelten Leute das, was sie immer noch den „Westen“ nennen. Was im Westfernsehen als schicker Fernsehfilm läuft – dreißig Jahre nach der Wende – zeigt das fremde grell-graue Glatte, Gläserne. Was da bei den Karsunkes über den Bildschirm flackert, ist dann sogar eine ganze Galaxis zu weit entfernt, was das Verstehen oder gar den Zusammenhang zum eigenen Erleben angeht.

 

Die Lesenden des Romans erhalten Informationen und vor allem Gefühlsimpulse, die die Zeit von 1980 bis in die Jetztzeit betreffen. Vor allem die Zeit der Jahre nach dem Untergang der DDR bis zu den Erschütterungen des Flüchtlingsstroms werden beleuchtet, die handelnden Figuren mobilisieren Verständnis und haben ja ihren Anstand zur Verfügung – aber viele bleiben doch mit einem Korb voller Fragen zurück.

 

Die Verlässlichkeit der herzlichen Bindung in der Familie und des herzhaften Zoffs in der Kneipe bilden die Bühne, auf der man/frau die Protagonisten des Romans gerne näher kennenlernen kann. Marina Scheske gelingt ein Soziologieprojekt – aber völlig ohne akademische Konstrukte. Besonders deutlich wird dies beim Herausarbeiten von Ähnlichkeiten in Charakter und Verhalten der ehemaligen Bürokraten der sogenannten sozialistischen Einheit und jenen neuen Kräften mit wenig Herzensbildung und noch weniger Toleranzfähigkeit, jener Parteikameraden, die sich für eine Alternative halten, für Deutschland gar.

 

Die Leute mit dem inneren Kompass, insbesondere die Alten kommen damit klar und stellen sich dem nötigen Streit. Im Zentrum der Bühne: Frauen mit ihrem Lebensmut, nimmermüde, mit dem milden Reichtum der Erfahrung (wie das Immer-Wieder-Aufstehen funktioniert) und dem klaren Blick. Sie bilden den Anker des Geschehens, vor allem Oma Karsunke.

 

Die Grenze des Verstehens wird jedoch deutlich erreicht bei jenen, die nicht nur provozieren und die Republik mit schlechter Laune überziehen wollen. Jene, die dem Menschen ein Wolf sein wollen. Die Grenze zum Entsetzlichen wird von den Wölfen überschritten. Die Warmherzigkeit und die Hoffnung können diese Wölfe in Brandenburg zwar erschüttern, nicht jedoch zur Erosion bringen.

 

© Erich Ruhl-Bady 2021

 

Timo Reuter hat ein Buch übers Warten geschrieben. Wie passend!

"Warten - eine verlernte Kunst". Westend Verlag Frankfurt am Main.


In der Frankfurter Rundschau Nr. 100/2020 hat Timo Reuter hierzu einen Essay verfasst, der die aktuelle Corona-Krise mit aufgreift. Er geht der Frage nach:

Warum ist Innenhalten so unbeliebt?


Dies hier ist die Hörfassung des Essays in der Frankfurter Rundschau.


Sprecher des Textes von Timo Reuter ist Erich Ruhl-Bady 



Rezensionen. Copyright by Erich Ruhl-Bady

Lyrisches Empowerment

Rezension: Erich Ruhl-Bady.
Mit spielerisch entstehender Selbstfürsorge die innere Weisheit entdecken.

Heike Frank

Weißt du, wie wertvoll du bist?

EHP Verlag Andreas Kohlhage, Gevelsberg. 120 Seiten. 24,99 €. 

Lyrik, erheblich mehr (essentielle) Fragen als wohlfeil-schnelle Antworten sowie beflügelnde Phantasiereisen prägen das zweite Buch der kundigen Pädagogin und Gestalttherapeutin Heike Frank. 

Mit Leichtigkeit bindet sie in ihre Worte, aus denen sowohl differenzierte fachliche Erfahrung als auch Herzensbildung sprechen, Autobiografisches ein, was die Echtheit und die Affinität zur Leserin, zum Leser erhöht. Die zwei Dutzend Themen bauen nicht aufeinander auf, müssen nicht „abgearbeitet“ werden, sondern die Idee der Autorin ist eine andere: der Intuition folgen, was gerade „dran“ ist – und dann nährend „stöbern“.

Dabei hilft die Konzeption: Einführung mit einem Gedicht oder mit einem spirituell glanzvollen Text, dann folgen – Rilkes Empfehlungen gleich – bedeutsame Fragen, in deren Antworten man/frau sich hineinfühlen und hineinleben kann, wenn die Zeit dazu gekommen ist. Und danach folgt eine inspirierende Einladung zu einer Übung, zu einer Phantasiereise oder Impulse zu einer behutsamen Einfühlung. 

So lassen sich Themen wie „Ich soll wertvoll sein?“, „Hamsterrad“, „Selbstlos“, „Wandlungen“, „Heimat“ oder „Eine feste Burg“ genau und fein ausleuchten - ohne jene Schwere und Unbedingtheit, die manchen „Ratgeberbüchern“, gerade jenen, denen es um Empowerment geht, oft eigen ist.

Deshalb gibt „Weißt du, wie wertvoll du bist?“ mithilfe herzenskluger Fragen jene tanzenden Antworten, deren Helferin und Ziel die womöglich gerade erstmals entdeckte eigene Weisheit ist. 

©  Erich Ruhl-Bady 2019


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5 Jahre DIE ANSTALT 

Die Fakten wollen den
Diskurs anfachen


Rezension: Erich Ruhl-Bady.
Das Volksbildungsheim des ZDF
ersetzt nicht selten die Nachrichten.

 

Dietrich Krauß (Hg.)

Die Rache des Mainstreams an sich selbst

Westend. 307 Seiten. 20 €.

 

In einer Nachbetrachtung zur Anstalt-Sendung zum Thema EU in der Evangelischen Akademie in Frankfurt am Main brachten es der Herausgeber Dietrich Krauß und der Frankfurter-Rundschau-Redakteur Stephan Hebel auf den Punkt: Bei der Satire der Anstalt, die eigentlich das Geschäft der „richtigen“ Nachrichten besorgt, reicht das Gewähren von Toleranz nicht aus, man will – eigentlich – den Diskurs. Doch der bleibt trotz (oder wegen) der extrem gründlichen Recherche zu den Volksbildungs-Veranstaltungen des ZDF weitgehend aus. Die Informationen stimmen, bewegen sich aber außerhalb des neoliberalen Mainstreams. Wie gut, dass neben den Protagonisten Max Uthoff und Claus von Wagner der Dritte im Autorenbunde, Dietrich Krauß, diese feine und üppige Buch zum fünften Geburtstag der Anstalt herausgibt. Neben der Schilderung, wie alle vier Wochen diese Informationsdichte und dieser komödiantische Glanz entstehen (dem sich immerhin drei Millionen Zuschauer gerne aussetzen), äußern sich 25 Freunde der Sendung zur Frage, was Satire darf/muss. Zu den Geburtstagsgästen im Buch zählen Satiriker, Wissenschaftler, Politiker, Künstler und Journalisten, darunter Arnulf Rating, Dieter Plehwe (Lobbycontrol), Norbert Blüm, Esther Bejarano und Mely Kiyak. Die „richtigen“ Nachrichtenredakteure sagen nicht alles. „Die Anstalt“ schon. Wer sie gerne schaut, weiß nach der Lektüre dieses kurzweiligen Buchs genauer, warum.

      

©  Erich Ruhl-Bady 2019


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Europa jetzt!

Eine Ermutigung.

Steidl Verlag.

Autorinnen und Autoren (Hg.):

Ulrike Guérot / Oskar Negt / Tom Kehrbaum / Emanuel Herold

 

Rezension: Erich Ruhl-Bady.

Es geht um die Republik-Werdung Europas – Kommunikation und Partizipation als Antreiber für den Zusammenhalt

 

Die Bedrohung wächst. Rettung ist möglich.

 

So argumentieren der junge Pulse-of-Europe-Aktivist Herold, der Bildungsexperte der IG Metall Kehrbaum, der Habermas-Weggefährte Negt und die Politologin Guérot. Sie werben für die kontinentale Antwort auf die soziale Frage.

 

Denn die Bedrohung des Friedensprojekts Europa durch das, was manche gerne verharmlosend „Rechtspopulismus“ nennen, bedarf einer nachhaltigen Beantwortung und nicht nur einer ängstlichen Abwehr. Das Erwachen der emanzipatorischen Kraft der Gewerkschaftsbewegung gut verzahnen mit der Verteidigung eines umfassenden Bildungsanspruchs, dabei Vielfalt und Dezentralität bejahen.

 

Kommunikation und Partizipation sind die besseren Katalysatoren für Zusammenhalt als Fiskal- und Geldpolitik. Abgehängt zu sein, ist nicht nur ein Ressentiment schürendes Gefühl, das sich in der Lust auf einfach-autoritäre Lösungen zeigt. Zu viele sind im Globalisierungs-Turbo abgehängt. Das Gefälle zwischen Stadt und Land wird heftiger.

 

Nötig: die Aufwertung der Regionen in einem neuen stabilen europäischen Haus. Perspektivisch die Nationalstaaten überwinden. Guérot: „jetzt geht es um die Republik-Werdung Europas“. Denn wie vor knapp 200 Jahren bei der Nation-Werdung bedeutet Republik: Herstellung und Sicherung von Gleichheit und Recht in kultureller Vielfalt. Die Bürgerinnen und Bürger müssen spüren, dass sie der Souverän sind. Demokratie ist mehr, als gelegentlich mal zu wählen. Am besten in der Europäischen Republik.

 

Der Euro als Gesellschaftsvertrag und die Erkenntnis, dass 500 Millionen Europäer im Weltgefüge mehr ausrichten als jeder Nationalstaat für sich: das ist richtig, aber nicht zureichend.

 

© Erich Ruhl-Bady 2019

 

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Gregor Gysi – Ausstieg links?

Eine Bilanz.

Westend Verlag.

Autor: Stephan Hebel

 

Rezension: Erich Ruhl-Bady.

„Wissen Sie: ich hasse einfach nicht zurück“

 

Obacht: das Buch ist kein Nachruf. Eher ein Weckruf. Publizist Stephan Hebel porträtiert den Rechtsanwalt, Politiker und Bundestagsabgeordneten Gregor Gysi in einem spannenden Interview nach dessen Entscheidung, nicht mehr für den Fraktionsvorsitz der Partei Die Linke zu kandidieren. Er hatte einen relevanten Anteil daran, die SED in die PDS und dann vereint mit der Wahlalternative Arbeit & soziale Gerechtigkeit (WASG) zur Partei Die Linke zu transformieren. Mit dem Amtsantritt des dritten Kabinetts Merkel am 17. Dezember 2013 wurde Gysi auch Oppositionsführer im Deutschen Bundestag.

 

Der gewandte Hebel trifft den charmanten Gysi, der viele Menschen aus der DDR in die BRD-Demokratie mitnehmen konnte. Unverstellt, frisch, klug, feinfühlig, selbstkritisch, witzig, respektvoll („wissen Sie, ich hasse einfach nicht zurück…“), unverwechselbar: Gysi als eigenständige Liga im Berliner Politikbetrieb. Hebel gelingt eine Mischung aus Biografie und Zeitgeschichte.

 

Gysi nimmt die Dinge ernst, ist eitel und nimmt sich dennoch nicht allzu wichtig. Gysi steht für die Linke. Und nur Gysi fokussiert die „Soziale Frage“ wie kein Zweiter. Undogmatisch ist der Jurist – allein schon, weil ihm Dogmatismus viel zu öde ist. Gysi ist für einen „linken Populismus“: ja, komplizierte Sachen darfst du auch einfacher darstellen, sagt er. Systemkritiker hat er in der DDR verteidigt. Doch im Widerstand war er nicht. Sagt er auch nicht. Es war das Miefige am bürokratischen Sozialismus, das dem DDR-Bildungsbürger auf die Nerven ging. Was hat Gysi noch vor? Keine Antwort – es bleibt spannend. Die Zusammenfassung seiner wichtigsten Reden und die Chronologie am Ende des Buchs rufen nach mehr.

 

© Erich Ruhl-Bady 2019

 

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Die Wand

Ein Film von Julian Roman Pölsler.

Nach dem Roman von Marlen Haushofer.

 

Rezension: Erich Ruhl-Bady.

In die Existenz geworfen, und beharrlich-tapfer darin lebend

 

Kafka in den österreichischen Alpen? Warum nicht.

 

Eine unsichtbare Wand trennt die einzig im Film vorhandene Protagonistin von der Außenwelt. Unüberwindbar, unerforschlich. Womit wir gleich beim Besonderen sind: dieses Ein-Personen-Stück verlangt der nicht sprechenden, sondern lediglich übers selbst Geschriebene räsonierenden Frau in den Bergen, gefangen von der Wand ringsum – durch Martina Gedeck enorm kraftvoll dargeboten – einiges ab. Regisseur Pölsler macht sich auf, nicht nur etliche Genres zu streifen, und schöne, ja erhabene Bilder zu liefern. Keinesfalls treibt er in Depression. Obwohl dies der Plot des Films allemal hergäbe.

 

Nein. Das ist neben den Anklängen an Kafka, Sarte, Camus, Erinnerungen an "The Day After",  an transzendentale Science Fiction (die Wand ringsum, doch der Himmel, die Universen oben sind grenzenlos, Rilke-gleich) der eigentliche Clou dieses Ausnahme-Films: er zeigt die grundsätzlichen Mentalitätsunterschiede zwischen Männern und Frauen auf.

 

Der guten und verlässlichen Intuition folgend, keine unnütze mechanistische Zeit verschwendend, woher die Wand denn wohl kommt oder was sie gar zu bedeuten hat, beginnt die Zurückgebliebene – vielleicht die einzig Überlebende von irgendwas – ihr Überleben zu organisieren, das So-Sein einfach anzunehmen. Planvoll. Kraftvoll. Und liebevoll. Gemeinsam mit Hund, Katze und Kuh. Niemals idyllisierend, niemals schmalzig – und schon gar nicht trist.

 

Dieser Film ist ein existenzialistisches Lehrstück, das eigene Ins-Leben-Geworfensein zu akzeptieren und gestalten. Im Schweiße des Angesichts Geburt und das sichere Ende annehmen – und dazwischen nicht aufgeben. Selbst innerhalb dieser furchtbaren Wand nicht. Sehr interessant, dabei ein Leben ohne Medien, ohne Kommunikationsmittel nach draußen für denkbar, ja erlebbar zu halten.

 

Und spätestens, wenn der vermutlich zweite Überlebende innerhalb dieser Mauern – ein Mann – auftaucht, wird klar: die Männer stehen in der Gefahr, den Überblick zu verlieren, herunterzukommen, zu verrohen, zu versagen. Pölsler weist uns nach: die Frauen sind ganz natürlich das stärkere Geschlecht. Urteil: absolut sehenswert.

 

© Erich Ruhl-Bady 2019

 

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Die Wiederbegegnung

Kurzgeschichte.

Beschreibung einer tiefenpsychologischen Reflexion.
Dialog von Selbst und Selbstachtung.

Autorin: Barbara Gertler

 

Rezension: Erich Ruhl-Bady.

Die Selbstachtung als beste Freundin

 

Zwei Zauberworte: ein Ja aus dem Bauch und ein Nein aus dem Herzen.

 

Das Glück wohnt – jedenfalls nicht ausschließlich – auf Wolke sieben. Unser Selbst haben wir immer. Wenn wir es haben. Die Kraft des inneren Dialogs bringt uns voran. Wenn wir uns selbst verlorengehen, ist es Zeit für die Abenteuerreise nach innen.

 

             

Wenn wir die Selbstachtung als die beste Freundin entdecken, dann leben wir im Flow. Dann entsteht Ereignishorizont. Mit den Zauberworten Ja und vor allem Nein. Ich habe Barbara Gertlers Kürzestgeschichte „Die Wiederbegegnung“ von Herzen gern vertont. 

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